EINS

                  

1.1  Wir brauchen eine neue Welt- und Lebensanschauung

1„Warum leben wir? Hat das Leben irgendeinen Sinn? Ist der Tod das Ende? Gibt es irgendeine höhere Macht im Dasein? Wenn es sie gibt, warum nimmt sich das Leben dennoch so grausam und sinnlos aus?“

2Alle denkenden Menschen müssen sich solche Fragen viele Male in ihrem Leben stellen. Ein Teil nimmt die althergebrachten christlichen Antworten an. Andere sehen das Christentum als unhaltbar an: „Die Forschungsergebnisse der Wissenschaft haben in wichtigen Punkten das Weltbild des Christentums widerlegt, zum Beispiel die Schöpfungsgeschichte.“

3Viele haben das Weltbild der Wissenschaft als ihr eigenes angenommen. Es ist dies ein einseitiger Materialismus. Als Lebensanschauung kann dieser keine Hoffnung oder Begeisterung für die Zukunft eingeben. Er lehrt: daß der Mensch nur ein intelligentes Tier sei, welches versuche, sich im Dasein zu behaupten; daß das Bewußtsein des Menschen allein ein Erzeugnis des Gehirns sei und erlösche, wenn der Organismus stirbt; daß unsere Träume, Ideale und Werte nur subjektiv seien und ihnen kein objektiver, höherer Sinn des Lebens entspreche; daß das Weltall von blind wirkenden Naturgesetzen gelenkt werde und gleichgültig gegenüber dem Schicksal noch so vieler Menschen sei.

4Wir haben alle ein Bedürfnis, einen Sinn im Dasein zu sehen. Der Mensch lebt nicht allein, um seine physischen Bedürfnisse zu befriedigen. Er „ißt“ auch Sinn und kann durch geistiges Aushungern ebensowohl sterben wie durch physisches. Um es zu schaffen, für eine bessere Welt zu leben und zu arbeiten, muß er Kraft aus irgendeiner anderen Quelle als materialistischer Lebensschau holen.

5Wir brauchen eine neue Welt- und Lebensanschauung. Dies ist wichtiger als irgendwelche neuen technischen Erfindungen. Eine neue Welt- und Lebensanschauung sollte gleichzeitig positive, lebensbejahende Werte und eine haltbare, vernünftige Welterklärung geben. Etwas derartiges kann weder Religion noch Wissenschaft leisten. Auf Dauer werden sich die Menschen weder mit unintelligentem Glauben noch mit einseitigem Materialismus begnügen.

 

1.2  überphysische Erscheinungen erweitern das Weltbild

1Die Naturwissenschaften haben uns ein ungeheueres Wissen um die physische, die sichtbare Wirklichkeit gebracht. Gleichzeitig haben viele hervorragende Forscher eingestanden, daß das Weltbild der Wissenschaft stark begrenzt sei. Der Gedanke ist befugt, daß wir erst einen kleineren Teil der Wirklichkeit erforscht haben und der größere Teil uns immer noch unbekannt ist. Logisch gesehen gibt es also nichts, was gegen das Bestehen einer Wirklichkeit über die physische hinaus spricht. Im Gegenteil, es gibt Erscheinungen vieler Art, die sich im Physischen äußern, aber ihre Ursachen in anderen als bekannten physischen Energien haben.

2Wollen wir doch einmal versuchen, diese Erscheinungen übersichtlich zusammenzustellen.

3Telepathie zeigt, daß getrennte Individuen (auch Tiere und Pflanzen) in direkter psychischer Verbindung miteinander stehen. Die Information wird zwischen den Individuen überführt, ohne daß die Sinne des Organismus’ dazwischentreten.

4Hellsehen (Clairvoyance) zeigt, daß es geht, solches aufzufassen, was – immer oder nur gelegentlich – jenseits der Reichweite der Sinne liegt, z.B. über große Entfernungen. Mit Hellsehen „sieht“ man auch andere Formen als die normal sichtbaren, z.B. jene psychische Atmosphäre, die alle lebenden Wesen umgibt.

5Fernwahrnehmung (Remote viewing, „Sehen aus der Ferne“) ist die Fähigkeit, solche Dinge und Geschehnisse wahrzunehmen, welche – beständig oder zeitweilig – außerhalb des Bereichs der physischen Sinne sind, z.B. in Raum und Zeit weit entfernt.

6Außerkörperliches Erleben nennt man die Erscheinung, wo Menschen (üblicherweise im Zustand körperlicher Bewußtlosigkeit) wahrgenommen haben, daß sie ihren bewußtlosen Körper verlassen hatten, außerhalb desselben bewußt gewesen waren und die Umgebung haben beobachten können. Nach dem Erwachen haben sie korrekt über das berichten können, was in ihrer Nähe geschehen war während der Zeit, als keine körperlichen Sinne richtig arbeiteten.

7Psychometrie ist die Fähigkeit, direkt im Bewußtsein die Vergangenheit eines Gegenstandes abzulesen, als ob es diese in einer Art „eigenem Gedächtnis der Natur“ bewahrt gebe.

8Präkognition oder Vorauswissen („anmelden“, Wahrträume) zeigt, daß irgend ein Teil unseres Bewußtseins eine breitere Auffassung vom „Jetzt des Augenblickes“ hat und also weiter hinein in die Zukunft reicht als unser normales Wachbewußtsein.

9Psychokinesie ist die Fähigkeit, allein mit psychischer Kraft Gegenstände zu verschieben oder auf andere Weise zu beeinflussen. Eine besondere Art ist die Levitation, die Fähigkeit, den eigenen Körper frei schweben zu lassen. Andere verwandte Erscheinungen sind Materialisation und Dematerialisation, die Fähigkeit, Gegenstände gleichsam aus dem leeren Nichts zu bilden bzw. sie aufzulösen.

10Auch wenn ein Teil dieser Fähigkeiten ungewöhnlich ist, so ist diese Tatsache kein Beweismittel gegen sie. Sie zeigt nur, daß sie bei den allermeisten Menschen nur potentiell, als Möglichkeit, vorliegen. Auch das andere Argument, daß sie „gegen die Naturgesetze streiten“ ist nicht haltbar. Sie streiten nur gegen unsere gegenwärtige, allzu enge Auffassung von den Naturgesetzen. Beispielsweise ist die Levitation sowohl in der Geschichte wie auch in der Gegenwart wohl bezeugt. Einer der bekannteren Fälle ist der des italienischen Mönches Giuseppe da Coppertino, welcher in seiner Kirche vor einer Versammlung mit u.a. dem Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz und dem Herzog von Braunschweig förmlich flog.

11Telepathie scheint außergewöhnlich häufig zu sein, besonders zwischen einander nahestehenden Individuen, beispielsweise Mutter und Kind. Daß der Telepathie keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt worden ist, dürfte gerade auf ihrer Häufigkeit beruhen. Wir werden es ganz einfach nicht gewahr, in welchen Fällen wir selbst denken und wann andere in uns denken. Man kann sich fragen, ob es nicht so ist, daß Verständnis in Wirklichkeit einen bedeutenden Einschlag von Telepathie, gemeinsamem und geteiltem Bewußtsein, hat und daß Mangel an Verständnis teilweise auf ausgebliebener Telepathie beruht. Alle haben wir wohl auch Erfahrung mit solchen Erscheinungen, wie etwa die Freundlichkeit von Menschen oder das Gegenteil als „Ausstrahlung“ zu empfinden, obwohl weder Worte noch Blicke ausgetauscht worden sind. Auch der Herdentrieb und der Artinstinkt der Tiere können durch Telepathie erklärt werden.

12Daß außerkörperliche Erfahrungen gleichfalls sehr häufig sind, zeigt sich darin, daß viele Menschen nunmehr offen über ihre einschlägigen Erlebnisse zu berichten wagen. Nicht viele haben früher die Seelenstärke besessen, dem Hohn von Seiten sowohl der allgemeinen Meinung wie auch der Wissenschaft zu trotzen.

13In diesem Zusammenhang gibt es Anlaß, einige Worte über jenen Dogmatismus zu sagen, der, leider noch immer in hohem Grad, der Wissenschaft schlecht steht. Zu wissen zu glauben ohne genau untersucht zu haben, ist Dogmatismus. Sich zu weigern, etwas zu untersuchen mit dem Hinweis darauf, daß es „gegen die Naturgesetze streite“, ist Dogmatismus. Die Tatsachen der Wirklichkeit mit dem Hinweis abzuweisen, sie paßten nicht mit herrschenden Hypothesen zusammen: Dogmatismus schlimmster Art ist, an seine eigene Allweisheit zu glauben und daß keine neuen Entdeckungen gemacht werden können, die die stets vorläufigen Hypothesen des Tages über den Haufen werfen. In Wirklichkeit ist die ganze Geschichte der Wissenschaft die Erzählung davon, wie schlechtere, begrenztere Hypothesen ständig besseren, umfassenderen, Platz zu machen hatten.

14Zusammenfassend kann man sagen, daß die überphysischen Erscheinungen, die gerade beschrieben worden sind, ein wichtiges gemeinsames Merkmal haben. Sie zeigen deutlich, daß die Psyche selbst oder das Bewußtsein gegenüber dem physischen Körper bedeutend selbständiger wirkt als der Materialismus annimmt:

(1) Das Bewußtsein kann die Wirklichkeit direkt auffassen, ohne daß es die Sinne des physischen Körpers anzuwenden braucht (Hellsehen, außerkörperliche Erlebnisse).

(2) Das Bewußtsein hat erheblich größere Reichweite in Zeit und Raum als die Sinne (Hellsehen, Psychometrie, Vorauswissen).

(3) Das Bewußtsein ist nicht auf ein Individuum begrenzt, sondern kann mit anderen geteilt werden (Telepathie).

(4) Das Bewußtsein kann unabhängig vom physischen Körper bestehen (außerkörperliches Erleben).

(5) Das Bewußtsein kann die Materie direkt beeinflussen (Psychokinesie, Levitation).

15Wenn das Bewußtsein unabhängig vom Körper bestehen kann, sollte es den Tod des Körpers überleben können. „Es gibt keinen Tod“ ist ja die Behauptung der Spiritualisten, und sachlich gesehen, gibt es mehr was für, als gegen den Gedanken spricht. Die Erscheinungen des Spiritualismus mit „Botschaften von der anderen Seite“ können nicht immer mit Betrug erklärt werden. Die spiritualistische These ist oft die beste Erklärung der Erscheinungen. Dennoch hegen viele denkende Menschen eine Abneigung gegen den Gedanken an das Leben in der „Geisterwelt“, so, wie es von den Spiritualisten geschildert wird. Es ist trivial, geistesarm, zu menschlich. Aber gerade das gibt den Stempel der Echtheit. Warum sollte der Mensch edler und weiser werden nur deshalb, weil er seinen physischen Körper abgelegt hat?

16Der Spiritualismus gibt uns ein neues Leben „auf der anderen Seite“. Dieses bekommt aber nicht viel mehr Sinn als das Erdenleben, wie es der Materialismus auffaßt. Eine ganz andere, weitere und positivere Perspektive gibt der Gedanke, daß das Leben eine Schule zur Gewinnung von Erfahrung, zur Entwicklung des Bewußtseins sei. Aber da reicht ein Erdenleben nicht aus. Die Idee der Wiedergeburt, Reinkarnation, hat sich im Abendland in den letzten Jahren immer

mehr ausgebreitet.

17Ein ernsthafter Forscher, Ian Stevenson in den Vereinten Staaten, hat Menschen untersucht, die sich nach eigener Angabe früherer Lebenerinnern. Er hat etliche Fälle, die auf Reinkarnation hindeuten, dokumentiert. Andere Forscher haben die Arbeit weitergeführt.

18Alles, was bisher erwähnt worden ist, reicht mehr als genug dafür aus, das Weltbild des einseitigen Materialismus’ zu widerlegen. Es kann auch als eine erste Einleitung zu einer haltbareren Welt- und Lebensanschauung dienen. Eine solche Anschauung wird einen größeren Teil der Wirklichkeit erfassen. Sie ist eine Schau, welche dem Bewußtsein einen größeren, selbständigeren Platz im Dasein gibt.

19Die gibt es, welche glauben, daß die Wissenschaft langsam und aus sich selbst heraus dieses Weltbild entwickeln wird. Jedoch, das neue Weltbild gibt es bereits voll entwickelt und hat es schon 2700 Jahre lang gegeben.

 

1.3  Die Schule des Pythagoras

1Dieses Weltbild wird Hylozoik genannt. Die Hylozoik wurde von Pythagoras, dem bekannten Mathematiker, ausgestaltet. Er wollte mit einer Hylozoik den Grund zur Wissenschaft der Zukunft legen. Wie weit vor seiner Zeit er war, geht daraus hervor, daß man erst jetzt sein System allgemeiner begreifen zu können beginnt. Dies dank der wissenschaftlichen Forschung, die so weit gelangt ist, daß sie nun auf gewisse Grundsätze der Hylozoik zu stoßen beginnt. Denn während die Wissenschaft sich allein mit der physischen Wirklichkeit befaßt, beschreibt die Hylozoik in erster Linie die überphysische Wirklichkeit. In dieser gibt es nämlich die Ursachen des Geschehens im Physischen. In der Zukunft wird eine direkte Anknüpfung zwischen Wissenschaft und Hylozoik möglich werden.

2Pythagoras war also Jahrtausende vor seiner Zeit. Dies wird dadurch erklärt, daß er einer Bruderschaft angehörte, deren Mitglieder ihr Bewußtsein weit über die dem normalen Menschen gegebene Begrenzung hinaus entwickelt hatten. „Wissensorgane“, welche bei den meisten von uns noch schlummern, weckten sie damit zu voller Tätigkeit. So konnten sie sich eine überlegene Kenntnis des Universums und des Menschen schaffen, weit übersteigend die Möglichkeiten der gegenwärtigen Wissenschaft, welche auf das, was man durch die physischen Sinne und deren Verlängerungen mittels Instrumenten erhalten kann, begrenzt ist. Dieses Wissen wird die Esoterik genannt. Die Mitglieder der Bruderschaft gründeten in verschiedenen Nationen Wissensschulen, sobald diese ein gewisses Maß an Zivilisation erreicht hatten. Zu dieser Voraussetzung gehörte, daß es zumindest einer beachtlichen Minderheit des Volkes gelungen sein sollte, ihr Denken von der überlieferten Religion freizumachen und die damit begonnen hat, vernünftige Fragen über den Sinn des Lebens und die Natur der Wirklichkeit zu stellen.

3Pythagoras gründete 700 Jahre vor Beginn unserer Zeitrechnung eine Wissensschule auf Sizilien, welches damals eine griechische Kolonie war. Esoterische Schulen hatte es schon Jahrtausende lang gegeben, als Pythagoras hervortrat. Das Neue mit seiner Schule war die systematische und übersichtliche Weise, jenes uralte Wissen, welches allen älteren und jüngeren Schulen gemeinsam war, darzustellen. Er verstand den Sinn der Griechen für konkretes Wissen, wissenschaftliches Verfahren und Genauigkeit.

4Dies ist der Grund dafür, daß von allen esoterischen Wissenssystemen die Hylozoik am besten für Abendländer mit wissenschaftlicher und philosophischer Einstellung paßt, mit ihrer Vorliebe für klare Tatsachen und Abneigung gegenüber vieldeutigen Sinnbildern.

5Während nahezu dreier Jahrtausende hat es die Hylozoik als eine lebende überlieferung gegeben, einen Weg zum Wissen um die Welt und den Menschen. Tausende von Männern und Frauen sind diesem Weg gefolgt. Bis in späte Zeit hinein ist das Wissen für außerhalb der Schule Stehende geheim gehalten worden. Wir leben ja in einer Welt, wo alles von wirklichem Wert bedroht ist, so auch das Wissen.

6Erst in unserer Zeit ist die Veröffentlichung einer grundlegend einfachen Hylozoik gestattet worden. Dies geschah l950, als der „Stein der Weisen“ von Henry T. Laurency herauskam. Diesem Buch folgte l961 Laurencys „Das Wissen um die Wirklichkeit“. Diese Bücher sind heutzutage grundlegend für jegliches Studium der Hylozoik. Noch immer ist der grßöere Teil des hylozoischen Wissensgutes unveröffentlicht und wird es noch lange bleiben. Auch weiterhin wird das Wissen um sonst unbekannte Kräfte in der Natur und im Menschen nur den wenigen gegeben werden, denjenigen, welche alle Versuchungen, jene Macht, die alles wirkliche Wissen gibt, zu mißbrauchen, überwunden haben.

 

1.4  Das Mentalsystem der Hylozoik

1Die Hylozoik stellt ein Mentalsystem dar. Damit ist ein System gemeint, welches der Mensch mit seinem Mentalbewußtsein, seinem Intellekt und gesundem Menschenverstand fassen und anwenden kann. In Fragen der Weltanschauung ist das Gefühl keine Quelle der Aufklärung, kein Führer. Allein die Vernunft kann bestenfalls entscheiden, ob behauptete Tatsachen auch Tatsachen sind, kann ihre Möglichkeit, Glaubwürdigkeit oder Wahrscheinlichkeit beurteilen.

2Es reicht aber nicht mit Tatsachen. Einzelne, untereinander nicht zusammenhängende Tatsachen verwirren mehr als sie erklären. Tatsachen müssen miteinander in Beziehung gebracht werden und die Beziehungen in noch umfassendere Zusammenhänge, in Systeme. Jeder denkende Mensch macht sich Systeme. Alles neue, was er erfährt, setzt er mit seinem bisherigen Wissen in Beziehung, einverleibt das Neue in das System, welches er bereits besitzt, und baut weiter darauf, bewußt oder unbewußt. Jegliches vernünftige Denken geht in Systemen vor sich. Und dies deshalb, weil das Verständnis stets vom Allgemeinen zum Einzelnen, von der Ganzheit zu den Einzelheiten geht.

3Das System der Hylozoik ermöglicht die Einigung jenes Strebens nach Wissen, welches bei uns im Abendland durch Hunderte von Jahren in untereinander zerstrittene Richtungen aufgeteilt war: in Religion, Philosophie und Wissenschaft. Solche Aufteilung und solcher Kampf untereinander ist immer Beweis für Unkenntnis. Die Wirklichkeit ist eine und eine einzige. Deshalb kann es nur ein einziges richtiges Wirklichkeitswissen, eine einzige haltbare Weltanschauung, geben. Lebensanschauungen dagegen gibt es ebensoviele wie denkende Menschen, nachdem jeder einzelne seine individuelle Auffassung davon hat, was er aus dem Leben herausholen will und was selbst zurückzugeben er bereit ist.

4Je mehr sich die Menschheit entwickelt, desto größere Gleichschau werden wir auch in den Lebensfragen erreichen. Und zwar deshalb, weil immer mehrere einsehen werden, daß die Lebensanschauung auf dem Grund der Weltanschauung, deren Tatsachen von der Wirklichkeit, gebaut werden soll. Um zu wissen. wie es sein soll, muß man zuerst Kenntnis davon haben, wie es tatsächlich ist. Die Lebensanschauung ist wichtiger als die Weltanschauung, weil sie es ist, die uns im praktischen Leben leitet, uns unsere Rechtsauffassung (die Auffassung von Recht und Unrecht, was wir mit dem unklaren Wort „Moral“ zu bezeichnen pflegen) gibt. Gerade als Wissensgrund für die Lebensanschauung hat jedoch die Weltanschauung ihre ungeahnte Bedeutung. Und hier wird die Hylozoik ihren Einsatz machen.

5Die Weltanschauung der Hylozoik beschreibt das Dasein als eine Einheit mit drei Seiten oder Aspekten: Materie, Bewußtsein und Bewegung. Alles ist Materie, die Bewußtsein (immer in irgendeinem Ausmaß) hat und sich in Bewegung befindet. Die kleinsten, unzerstörbaren Bestandteile der Materie sind die Uratome. Der Sinn des Lebens ist die Entwicklung des Bewußtseins in jedem Uratom.

6In jedem lebenden Wesen gibt es ein Uratom, welches genügend entwickelt ist, um das zentrale Individualbewußtsein dieses Wesens zu sein. Die verschiedenen Reiche der Natur – unter anderem Minerale, Pflanzen, Tiere und Menschen – sind verschiedene Stufen in der Entwicklung des individuellen Bewußtseins.

7Das Menschenreich ist nicht der Endpunkt dieser Entwicklung, sondern nur für deren organisch-biologischen Teil in der sichtbaren physischen Welt. über die physische Welt hinaus gibt es eine große Zahl immer höherer Welten. In diesen schreitet die Entwicklung der Individuen jenseits des Menschlichen fort. Es gibt mehr Naturreiche über dem Menschen als unter ihm.

8Alles im Dasein bildet eine Einheit. Eigentlich gibt es keine Abgeschiedenheit, ganz besonders nicht für das Bewußtsein und die Energie (Materie in Bewegung). Jede höhere Entwicklung setzt voraus,daß das Individuum (das Uratom) mit beibehaltener Selbstidentität in immer größeren Gruppen aufgeht, wo Zusammenarbeit und Dienst am Leben und der Entwicklung aller das Wesentliche ist.

9All dies wird von Gesetzen gelenkt. Neben den Naturgesetzen, die für das Leben der Materie gelten, gibt es für das Bewußtsein und dessen Entwicklung Lebensgesetze. Die Pflicht des Menschen ist es, die Lebensgesetze kennenzulernen und anzuwenden, soweit die Fähigkeit reicht. Die für den Menschen wichtigsten Lebensgesetze, die er selbst anwenden kann, sind: Freihetsgesetz, Einheitsgesetz, das Gesetz der Selbstverwirklichung und das Aktivierungsgesetz.

10Das Freiheitsgesetz besagt, daß jeder Mensch das Recht hat, zu tun was er will, innerhalb der Grenzen des gleichen Anrechts aller anderen auf dasselbe.

11Das Einheitsgesetz sagt aus, daß das Leben eine Einheit ist und höhere Entwicklung allein dadurch möglich ist, indem der Mensch seine Selbstsucht überwindet und Zusammenarbeit und Dienen lernt.

12Das Gesetz der Selbstverwirklichung sagt, daß sich jeder Mensch auf seine Weise, nach den Voraussetzungen seiner Eigenart, entwickeln muß.

13Das Aktivierungsgesetz besagt, daß jegliche Entwicklung das Ergebnis eigener Arbeit, Einsicht aller Art die Frucht eigener Denkmühe ist.

14Drei Lebensgesetze herrschen über den Menschen, ob er nun will oder nicht: Entwicklungsgesetz, Schicksalsgesetz und das Gesetz für Aussaat und Ernte.

15Als Vernunftswesen haben wir zwischen zwei Wegen, zwei Arten der Selbstverwirklichung, zu wählen: dem Willen zur Macht oder dem Willen zur Einheit. Der Wille zur Macht führt zu vermehrtem Leid für alle, nicht zuletzt für den, der Macht mißbraucht hat. Wille zur Einheit bringt mit sich, daß keiner mehr als seinen Teil begehrt und alle den Dienst am gemeinsamen Besten als die höchste Lebensaufgabe sehen. Er wird sich als der einzige gangbare Weg zu Glück und Freude für alle, zum Wohlergehen aller und niemandes Unheil erweisen.

16Im Folgenden werden die Grundzüge der Weltanschauung der Hylozoik dargelegt. Wo es möglich war, sind diese Grundgedanken mit Hilfe gewisser neuerer  worden, um dem Leser die Auffassung zu erleichtern. Die Hylozoik ist hier, um eine mentale Umwälzung zustandezubringen. Möge der Leser nicht überwältigt werden, sondern sich bald in den neuen (und dennoch so merkwürdig bekannten) Ideen zurechtfinden!

 

1.5  Die drei Aspekte des Daseins

1Das griechische Wort Hylozoik würde man mit „geistigem Materialismus“ übersetzen können. Das bedeutet, daß es eine geistige und eine materielle Wirklichkeit gibt. Kein Weltbild, welches irgendeine dieser beiden ausschließen will, ist auf Dauer haltbar. Wir sind Lehren gewohnt, die das Dasein als ganz geistig sehen, als ganz materiell oder eine scharfe Grenze zwischen einer geistigen höheren Welt und einer materiellen oder niederen Welt ziehen. Die Hylozoik hat jedoch eine andere Betrachtungsweise als die übliche Philosophie oder Theologie.

2Pythagoras hob die gedachte Gegensätzlichkeit zwischen Geist und Materie auf; erklärte, daß sie auf Unkenntnis beider beruhe. Er lehrte, daß alles Materie sei und jedwede Materie „Geist“ oder Bewußtsein habe. Materie und Bewußtsein seien zwei Seiten oder Aspekte ein und der selben Wirklichkeit.

3Ein dritter Aspekt der Wirklichkeit ist die Bewegung. Alles ist in Bewegung und alles, was sich bewegt, ist Materie.

4Der ganze Kosmos und alles im Kosmos weist diese drei Aspekte auf. Es gibt keine Materie ohne Bewußtsein (wenn auch nur potentiell). Kein Bewußtsein kann ohne materielle Grundlage bestehen. Und die Bewegung äußert sich in der Materie als Energie und im

Bewußtsein als Wille.

5Die drei Lebensaspekte sind gleichwertig. Keiner von ihnen kann mit irgendeinem anderen gleichgesetzt oder durch etwas anderes erklärt werden. Man kann sie nicht definieren, nur feststellen, daß sie selbstverständlich sind. Deshalb werden sie absolut genannt, bilden zusammen die letzendliche Erklärung alles Seienden.

6Der Materialismus in Philosophie und Wissenschaft hat nur den äußeren, den objektiven Materieaspekt beachtet. Der innere, das subjektive Bewußtsein, wie Gefühle, Gedanken und Ideen, ist aber ebenso absolut und etwas Eigenes, das nicht mit objektiven Erscheinungen wie chemischen und elektrischen Vorgängen in den Nervenzellen gleichgesetzt werden kann. In seiner Einseitigkeit ist der Materialismus unhaltbar.

7Dagegen hat der sogenannte Idealismus in der Philosophie vom Materieaspekt abgesehen und behauptet, daß die objektive Wirklichkeit allein subjektives Erleben sei. Der Schlußsatz dieser Betrachtungsweise ist gänzlich absurd: daß alles Materielle lediglich Illusion sei.

8In der Physik behauptet man nunmehr, daß „alles Energie ist“. Nach der Hylozoik ist Energie dasselbe wie Materie in Bewegung. Für die Wissenschaft bleibt noch übrig, das Bewußtsein in dieser dynamischen Materie, das allumfassende Bestehen des Bewußtseins, zu entdecken.

9Aus diesen drei Beispielen einseitiger Betrachtungsweise dürfte hervorgehen, daß alle drei Aspekte eingeschlossen werden müssen, auf daß das Weltbild vollständig und nicht mißweisend werde.

                   

1.6  Alles ist lebend

1Wenn die Hylozoik sagt, alle Materie habe Bewußtsein, so bedeutet dies selbstverständlich nicht, daß sich das Bewußtsein auf gleiche Weise in jeder Art von Materie äußere. Ebenso, wie es verschiedene Arten materieller Lebensformen gibt, bestehen in ihnen verschiedene Bewußtseinsarten. Ein Mensch kann denken, phantasieren und planen, was die Tiere nicht können. Seine Bewußtheit ist breiter und intensiver als die der höheren Tiere, gar nicht zu reden von der

tiefer stehender Lebensformen.

2Auch wenn die Tiere nicht wie wir denken können, so liefern sie den Beweis für intelligentes Benehmen. Sie handeln zweckmäßig, anpassungsfähig, zeigen eigenen Willen, sie erinnern sich und lernen. Der einseitige Materialismus, welcher im Gehirn oder jedenfalls im Nervensystem eine notwendige Voraussetzung für Bewußtsein sieht, muß neueren Erfahrungen weichen.

3Das Colibakterium, von allen Organismen der einfachste, besteht aus einer einzigen Zelle. Weder Kopf, Gehirn oder Herz hat es, besitzt ein einziges DNA-Molekül als Chromosom und eine Lebensdauer von höchstens zwanzig Minuten. Dennoch kann es lernen, verschiedene chemische Stoffe wiederzuerkennen, sich an sie zu erinnern, zeigt ein zielbewußtes Benehmen, indem es „angenehmen“ Stoffen entgegen und weg von „unangenehmen“ schwimmt. Nach dem Biochemiker Koshland, der diese Beobachtungen gemacht hat, zeigen die Bakterien trotz identischer Gene und derselben Umgebung individuelles Benehmen. Sie entwickeln eine Persönlichkeit, welche das Leben hindurch besteht.

4Immerhin, die Bakterien sind Organismen. Gleichwohl zeigt es sich, daß die Grenzlinie zwischen organischer und unorganischer Materie keine Grenze für das Leben darstellt. Auch minerale Lebensformen liefern den Beweis für intelligente Anpassung an die Umgebung. Deshalb müssen sie ihrer auf irgendeine Weise gewahr werden. Beispielsweise ist es wohlbekannt, daß viele ganz neu erzeugte Stoffe lernen müssen zu kristallisieren. Haben sie erst einmal die Erfahrung gemacht, so geht es dann leichter. Keine zwei Kristalle gleicher chemischer Zusammensetzung sind einander völlig gleich, sondern haben ihre Eigenschaften und Reaktionsmuster – Gewohnheiten. Solche müssen auf einzigartigen Erfahrungen und Erinnerungen beruhen.

5Die Naturwissenschaft hat begonnen, den bisher so vernachlässigten Bewußtseinsaspekt des Daseins zu entdecken. Tompkins und Bird haben im Buch „Das heimliche Leben der Pflanzen“ eine Menge von Beispielen für „grüne Intelligenz“ gegeben. In seinem Buch „Einer neuen Lebenswissenschaft entgegen“ ist Dr. Rupert Sheldrake noch weiter gegangen. Er stellt in ihm die These auf, allen Formen der Natur, organischen und unorganischen (sogenannten leblosen), gehe ein unsichtbares Gestaltungsfeld voraus und baue dieselben auf, ein Gestaltungsfeld, welches auf eine intelligente und ganzheitsgerichtete Weise wirke. Dieser Gedanke stimmt gar wohl mit der Hylozoik überein.

6Irgendeine Art von Bewußtsein gibt es in allem. Tatsächlich sind alle Naturformen Lebensformen, nachdem es nichts Lebloses gibt. Worauf beruht nun aber der Unterschied in der Breite und Intensität der Bewußtheit? Nach der Hylozoik darauf, daß das Bewußtsein in den unterschiedlichen Lebensformen verschieden weit entwickelt ist. Parallel mit der chemischen und biologischen Evolution, die die Formen der Materie betrifft, bekommen wir eine psychologische

Evolution des Bewußtseins in den Formen.

 

1.7  Die Evolution des Bewußtseins

1Was meint man eigentlich mit der Entwicklung des Bewußtseins? Erwerb neuer und günstigerer innerer Eigenschaften, Wegfall älterer und weniger günstiger, Eroberung neuer Fähigkeiten, welche die Wahlmöglichkeiten des Individuums erweitern und ihm größere Freiheit geben.

2Für den Menschen gilt, daß schlechtere Eigenschaften gegen bessere in Richtung auf das Ideale zu ausgetauscht werden. Dies bedeutet tieferes Mitgefühl, stärkeres Einleben, besseres Verständnis, schärferen Intellekt und festeren Willen. Es sollte auch zu größerer Fähigkeit auf mehreren Gebieten führen. Entwicklung bedeutet weiterhin, daß die verschiedenen, miteinander streitenden Elemente der Persönlichkeit zu größerem Einklang ausgeglichen werden, daß das „schlechtere Ich“ unter die überwachung durch das „bessere Ich“ gestellt wird.

3Wir, die wir nun Menschen sind, haben unsere Eigenschaften und Fähigkeiten dank der Entwicklung aus vollständiger Bewußtlosigkeit und Unfähigkeit heraus auf diese Stufe hin erlangt. Vom Stadium des Embryos zum erwachsenen Menschen, denken wir da vielleicht. Nach der Hylozoik ist aber gerade diese Entwicklung nur eine Wiederholung. So rasch geht es nicht, sich ganz neue Eigenschaften und Fähigkeiten anzueignen. Wir sind Menschen und können als Menschen reifen deshalb, weil wir zuvor viele Male Menschen gewesen sind. Reinkarnation ist ein durchgängiges Prinzip für jegliches Leben.

4Wenn wir zu einem neuen Leben geboren werden, haben wir das Menschliche von tausenden von vorhergehenden Leben latent. Je rascher und tiefer wir als Menschen reifen, eine desto größere Zahl von Leben haben wir zuvor gelebt, desto inhaltsreicher sind diese gewesen. Die Erinnerungen aus diesen vorangegangenen Leben haben wir nicht direkt im Wachbewußtsein zugänglich (aber an wieviel aus den frühesten Jahren jenes Lebens, welches wir gerade jetzt leben, erinnern wir uns?). Die allgemeinen Erfahrungen, die wir in früheren Leben gemacht haben, können jedoch schnell aus dem Schlummer der Latenz geweckt werden, wenn wir aufs neue vor gleichartige Situationen gestellt werden. So wird nicht nur von Mensch zu Mensch verschiedenartiges und verschieden tiefes Lebensverständnis erklärt, sondern auch angeborene Anlagen, Talent, Genie. „Jegliches Wissen ist Wiedererinnerung“ sagte Platon, der in Pythagoras’ Schule gegangen war.

5Die Unterschiede im Grade der Bewußtheit zwischen verschiedenen Menschen beruhen also darauf, daß manche ältere und andere jüngere „Seelen“ sind. Und wenn Menschen, Tiere, Pflanzen und unorganische Materie alle in einen einzigen großen Lebenszusammenhang eingehen, so können die verschiedenen Naturreiche als die hauptsächlichen, aufeinander folgenden Stufen in dieser Evolution ihre Erklärung finden.

6Gerade das macht die Hylozoik. Wir, die wir nun Menschen sind, haben es einst ein erstes Mal werden können – vor tausenden von Inkarnationen – aus dem Grunde, weil wir damals im nächst zuvor liegenden Naturreich soweit gelangt waren, wie es nur möglich war. Das Tierreich hatte uns nichts mehr zu lehren. Auf entsprechende Weise lebten wir als Pflanzen in noch früheren Epochen und noch früher als Mineral.

7Die biologische Evolution der Lebensformen handelt von einer Verfeinerung der materiellen Hüllen zum Nutzen des innewohnenden Lebens. Diese Evolution hat jene Werkzeuge zur Verfügung gestellt, die für die Evolution des Bewußtseins notwendig waren. Das ganze Tierreich hindurch bis hinauf zum Menschen können wir der mehr und mehr verfeinerten Organisation des Nervensystems und des Gehirns

folgen, als dem Wesentlichen in der organischen Materieentwicklung. Und dennoch ist das Gehirn nur ein Werkzeug des Bewußtseins.

8Es ist die Evolution des Bewußtseins, die den Sinn des Lebens ausmacht.

 

1.8  Die Monaden

1Eine Lebensform wird abgenutzt, stirbt und wird aufgelöst, aber das Bewußtsein, welches es in der Form gab, macht in einer neuen weiter. Wie ist dies möglich? Denn, wenn das Bewußtsein immer eine stoffliche Grundlage hat, so muß diese etwas anderes und beständigeres als Gehirn und Nervensystem sein.

2Die Hylozoik erklärt dies so, daß das individuelle Bewußtsein in jeder Lebensform an einen unzerstörbaren materiellen Kern, der auch nach Auflösung der Form besteht, gebunden ist. Pythagoras nannte diesen Kern Monade. Er behauptete, daß die Monade ihrem Wesen nach göttlich sei. Damit meinte er, die Monade habe die Möglichkeit, ihr Bewußtsein und ihren Willen mehr und mehr zu erweitern, um zuletzt den ganzen Kosmos zu umspannen.

3Der hylozoische Ausdruck Monade kann mit „Ich-Atom“ übersetzt werden. Die Monaden bestehen aus Materie, wie alles andere im Universum. Aber zum Unterschied von jeder anderen Materie bestehen sie nicht aus (zusammengesetzten) Atomen. Sie sind unteilbare Uratome, die eigentlichen Bausteine für alles andere im Kosmos.

4Wir haben uns daran gewöhnt, den Menschen als einen Körper zu betrachten, der (möglicherweise) eine Seele hat. Vielleicht verstehen wir nun, daß es genau umgekehrt ist: der Mensch ist eine Seele, die einen Körper besitzt; genauer: eine Monade, in eine physische Lebensform gekleidet.

5Wenn man mit „Tod“ das definitive Ende des Lebens meint, so gibt es im ganzen Kosmos keinen Tod. Es gibt nur die Auflösung der zeitweiligen Hüllen der Monaden, ihrer Lebensformen. Weil sich die Lebensformen aus Zellen, Molekülen, Atomen zusammensetzen, müssen die Formen früher oder später in ihre Bestandteile aufgelöst werden. Nachdem aber die Monade nicht zusammengesetzt, ein einziges Uratom, ist, kann sie nicht aufgelöst werden. Sie ist unsterblich.

6Ebenso wie alle Materie, haben auch die Monaden Bewußtsein. Im Anfang, ehe die Monaden in Lebensformen eingehen, ist diese Bewußtheit nur potentiell, unerweckt. Die Lebensformen sind die nötigen Werkzeuge, welche die Monaden brauchen, um zum Bewußtsein zu erwachen und es hierauf immer mehr zu entwickeln. Wenn das Bewußtsein zur Tätigkeit erwacht, wird die Monade zu einem Ich in ihrer Lebensform.

7Das Bewußtsein der Monade entwickelt sich nacheinander im Mineral-, Pflanzen-, Tier- und Menschenreich. In jedem Reich ist die Monade ein einheitliches, unzerstörbares Ich. Ihrer selbst bewußt als eines Ichs wird sie doch erst im Menschenreich.

8Die Monaden sind die Bausteine für alles andere, sind die Uratome, aus denen unsere physischen Zellen, Moleküle, Atome letzten Endes bestehen. Warum sagt man dann, daß  eine  Monade der innerste Kern in jeder Lebensform sei? Die Lebensformen bestehen ja aus lauter Monaden.

9Die Erklärung liegt im verschiedenen Ausmaß an entwickeltem Bewußtsein der Monaden. Diejenigen Monaden, welche kollektiv die physischen Atome und damit indirekt die Formen der physischen Materie aufbauen, sind, verhältnismäßig gesehen, unentwickelt. Ihr geringes Bewußtsein reicht nur dazu, Betriebsaufgaben im Leben der Atome und Zellen zu erfüllen. Eine verhältnismäßig kleine Anzahl der unerhört großen Menge der Monaden hat einen so hohen Grad an entwickeltem Bewußtsein erlangt, daß sie, jede einzelne für sich, eine Lebensform als ihre eigene in Besitz nehmen und ihr alles beherrschendes Bewußtsein, ihr Ich, werden können. Alle Monaden erreichen aber zuletzt auch diese Stufe und werden zu Ichs in Mineralen, Pflanzen, Tieren, Menschen.

 

1.9  Die Einheit von allem

1Nichts besteht in Isolierung, sondern alles beeinflußt alles andere. Nicht genug damit: alles spiegelt außerdem alles andere wieder, empfindet alles andere. Mit welchem Grad von Klarheit dies geschieht, ist eine andere Sache und zeigt das Ausmaß von entwickeltem Bewußtsein an. Und „alles“ sind Wesen auf verschiedenen Entwicklungsstufen.

2Wir sind alle einander auf irgendeine Weise. Wir sind einer einzigen gemeinsamen Bewußtheit teilhaftig. So, wie alle Wassertropfen sich im Ozean vereinen, schmilzt das individuelle Bewußtsein aller Monaden zu einem gemeinsamen zusammen. Dies ist das kosmische Gesamtbewußtsein, und alle Monaden haben an ihm unverlierbaren Teil.

3Am wichtigsten für das Verständnis der Natur des Bewußtseins ist seine Einheit. Das Bewußtsein im ganzen Kosmos ist ein einziges. Wir sind aber noch zu primitiv, um die Einheit aufzufassen. Erst dann, wenn die Einsicht von der Verantwortung – nicht nur für uns selber und unsere Nächsten oder auch unsere Nation, sondern für jegliches Leben – in uns erwacht, beginnen wir das Einheitsbewußtsein zu spüren. Tatsächlich gehen wir alle – Minerale, Pflanzen, Tiere und Menschen – in immer größere Hierarchien des Lebens ein.

4Wenn das Bewußtsein eine Evolution durchmacht, wenn die Monaden vom Mineral zu Menschen Lebenshierarchien bilden, warum sollte denn all dieses mit dem Menschen ein Ende finden? Wenn das Ich unsterblich ist und sich in ständig neuen Formen entwickelt, so muß diese Evolution zuletzt das Ich auf eine übermenschliche Stufe führen. Für uns alle, die wir nun Menschen sind, liegt dies in der Zukunft. Logisch gesehen, muß es jedoch bereits jetzt jene geben, die übermenschliche Niveaus an Einsicht und Fähigkeit erreicht haben. Sie bilden die Fortsetzung der Lebenshierarchien jenseits des Menschen.

 5Diese Hierarchien übermenschlicher Wesen sind nach der Hylozoik jene intelligenten Kräfte, die den Evolutionsverlauf leiten, ihm seine Richtung und sein Ziel geben. Dieser Gedanke ist nicht phantastischer, als daß ein Forscher der Gegenwart, der Biologe Rupert Sheldrake, ihn für eine mögliche Hypothese hält. Folgende Gedanken, aus seinem Buch „Einer neuen Lebenswissenschaft entgegen“ geholt, stimmen mit der Hylozoik überein.

 6„Wenn es eine solche Hierarchie bewußter Ichs gibt, so können die auf höheren Niveaus ihre Schöpferkraft sehr wohl durch andere, die zu niedrigeren Niveaus gehören, ausdrücken. Wenn solch ein schöpferischer Faktor auf höherem Niveau durch das Bewußtsein des Menschen wirkte, würden die Gedanken und Gefühle, zu deren Entstehen er Anlaß gibt, tatsächlich so aufgefaßt werden können, als ob sie von außen kämen. Dieses Erlebnis der Inspiration ist ja wohlbekannt.

7Wenn solche ‚höhere Ichs’ der Natur einwohnen, ist es außerdem möglich, daß Menschen unter gewissen Bedingungen direkt erfahren könnten, daß sie in ihnen eingeschlossen oder eingefaßt sind. Und Tatsache ist ja, daß das Erlebnis innerer Einheit mit allem Leben, mit der Erde oder dem Universum, oft geschildert worden ist in dem Maß, wie ihm überhaupt Ausdruck verliehen werden kann.“

 

Der obige Text ist dem Buch Die Erklärung von Lars Adelskogh entnommen. Copyright © by Lars Adelskogh 2007.